Leben mit Sprechblasen #16
Der Sammler im Alter
Oder eher
Ich und meine Sprechblasen
Ich habe es getan! Nach Jahrzehnten des Lesens, Rezensierens, Kaufens, Geschenktbekommens und alles Aufhebens erkannte ich das große Problem: Wissen deine Nachkommen eigentlich, was sie da wegwerfen müssen? Und ich musste mir eingestehen, wie sollten sie das können?
Also nahm ich mir die Zeit, die mir das Leben schenkte, und setzte mich zuerst mal an den Computer. Die vielen kostenlosen Angebote, eine Sammlung zu erfassen, waren mir zu kompliziert und wahrscheinlich habe ich einfach nicht sorgfältig genug gesucht, ich habe nichts gefunden, was mir gefiel. Ich setzte mich mit dem Macher des Comic Guide in Verbindung, schließlich ist das – soweit mir bekannt ist – die größte Datenbank deutscher Comics. Ich fragte, ob es eine Erweiterung für Sammler gäbe, eine Möglichkeit, die eigenen Hefte einfach mit einem Klick in ein Kästchen als „meins“ zu dokumentieren.
Diese Erweiterung gab es nicht und mein Angebot, eine soche zu Programmieren scheiterte leider nach vielen Mails. Aber der Gedanke ließ mich nicht los und ich setzte mich wieder an den Computer. Nach vielen Ideen, vielen gescheiterten Versuchen und einigen gravierenden Änderungen hatte ich es dann soweit, dass ich genau dass tun konnte, was ich wollte. Eine lange Zeit des „jeden Comic in die Hand nehmen und Häkchen setzten“ begann und endete mit einer etwas umfangreicheren Liste, als ich zu Beginn vermutete. Wieder einmal in meinem Leben hatte meine Frau recht behalten.
Und als ich dann fertig war, etwas entnervt von meiner Programmierung und einiger unnötiger Warterei, weil ich unnötige Seitenaufrufe und zu komplexe Datenbankabfragen verwendete, habe ich genau diese Punkte noch mal bearbeitet und könnte jetzt alles viel schneller machen.
Ich habe mit Schmerzen gelernt und wünschte mir plötzlich irgendwie eine Möglichkeit, dem Computer das Heft zu zeigen und der würde dann freundlich wie die Digitalsklaven sein können, mir das Heft anzeigen. Kein Gesuche mehr … das hat nicht ganz geklappt, aber nach einem freundlichen Gespräch mit einem Ex-Comic-Sammler und einer zweistündigen Fahrradtour war ich einer weiteren Idee reicher und Tage später erkannte ich, dass ein Handy für den Scan eines Barcodes viel Licht braucht.
Natürlich ist das noch nicht das Ende. Vielleicht durchsucht mal mein Programm die weite Welt des Internets und sucht nach Preisen für meine Hefte. Die ersten Zeilen sind geschrieben.
Und was hat das alles gebracht? Jetzt kaufe ich Hefte, von denen ich nicht wusste, dass sie mir fehlen. Aber zumindest kann ich jetzt nachschlagen, ob mir dieses zerknüllte „Raumagent Alpha“ Heft, dass auf dem Tapeziertisch eines Comic-Händlers oder in einer Internet-Kleinanzeigen „günstig“ zu haben sein sollte, wirklich zu meinem Glück fehlt.
Jetzt weis mein Umfeld um die vielen Schätze, die vor allem persönliche Schätze sind, und wird die Liste mal veröffentlichen, sodass das eine oder andere mit Liebe zerlesene Kleinod trivialer Schundliteratur mit Alltagsgrafik einen Nostalgiker zu seinem Glück ein paar Seiten beisteuert.
Es waren die frühen 70er Jahre, als ein französischer Kindercomic den teutonischen Lesern zeigte, dass auch Mädchen mehr können, als nur ein zu rettendes Opfer einer Schandtat zu sein. Ursprünglich übernahm die damals noch als lustige Lilli bekannte junge gallische Frau bereits knappe zehn Jahre vorher einen Comic rund um Autos und Technik und hieß im französischen Original auch Sophie.
Knapp ein halbes Jahrhundert später sind immer noch ein paar Bilder aus dieser Zeit in meinem Comic-Gedächtnis. Da war ein Wunschbrunnen, der einen alten Mann glücklich machte und natürlich ein schwebendes Auto ohne Räder.
Heute sollte Gleichberechtigung kein Thema mehr sein – sollte. Die meisten weiblichen Helden sind leider immer noch eher Oberweitenwunder statt selbstständig denkend. Aber es mag ein Zeichen der aktuellen Bedeutung von Gleichberechtigung sein, der Comic mit dem meisten Presserummel zeigt Batman nackt von vorne. Die Welt wird immer dämlicher.
Zurück zur Sophie, die damals einfach schlau, mutig und frech war. Jung dazu und bar sekundärer Geschlechtsmerkmale und dennoch ein Kind ihrer Zeit. Minirock und Zöpfe machten es ganz klar: Sophie ist ein Mädchen. Über die Wirkung von Geschlechterrollen in Unterhaltungsmedien kann man sehr ausufernd diekutieren, dieser Comic war für seine Zeit fast fortschrittlich.
Salleck Publikations hat das erste Drittel der Abenteuer in zwei dicke Bücher gepackt. In Band eins überfraut es mich als Alt-Leser spätestens ab Seite 151. L’Oeuf de Karamazaut hieß 1971 „Krach ums Kraftei“ und liest sich für mich immer noch so unterhaltsam wie damals. Kein Blut, selbst Explosionen überstehen die Geschädigten stets mit leichten Versengungen der Haare und viel schwarzer Farbe auf den bei ganz starken Explosionen auch mal zerfetzten Kleidern. Es ist ein spannender Kindercomic!
Band zwei bringt ab Seite 112 die zweite Geschichte, die mir in Erinnerung blieb. Der Wunschbrunnen spielte seine Hauptrolle in „Le puits Magique“ und noch immer ist die Herzenswärme dieser Geschichte und die bitterböse Kritik an der Gier der Besitzenden für mich spürbar.
Sophie bietet Unterhaltung für alle Altersgruppen. Die schon erwähnten Vermittlung von Qualitäten wie Mut, Teilen und auch des notwendigen Quentchen Eigensinn in zeitlosen Bildern, die natürlich die Zeit ihrer Entstehung in jedem Strich erkennen lassen. Vielleicht war Sophie damals ebenso bemüht pädagogisch wie mir die heutigen Kindercomics vorkommen. Sicher ist es mein verklärter Blick des in die Jahre gekommenen Kindes – Sophie ist einfach schön. Danke an den Verlagsleiter des Salleck Publications Verlages Eckart Schott für diese beiden Comic-Bücher.
Alle Infos zur Sophie-Gesamtausgabe beim Salleck Publications Verlag.